Meine letzte Neuanschaffung

Sortenratgeber und Kohlrabi

Aktualisiert am von Maike Wilstermann-Hildebrand

ein 45 Jahre alter Katalog

Dieser „Sortenratgeber Gemüse“ kam diese Woche bei mir an. Es handelt sich um eine beschreibende Sortenliste von der Zentralstelle für Sortenwesen der DDR aus dem Jahr 1976. Solche alten Bücher sind bei der Erstellung von Produktbeschreibungen von Gemüsesorten echtes Geld wert.

Es sind viele alte und historische Gemüsesorten im Handel erhältlich und die Beschreibungen der Sorteneigenschaften sind in Katalogen und
auf Saatguttüten dürftig. Oft sind die Sorte „besonders widerstandsfähig“, „sehr
früh“, „schossfest“, „kältetolerant“ oder werden „nicht schnell holzig“. Solche
Einschätzungen der Qualität wurden gemacht, als die Sorte vor 50 oder 100
Jahren auf den Markt kamen. Als sie neue auf den Markt waren, stimmten diese relativen Angaben im Vergleich zu den damals bekannten Sorten. Im Vergleich zu modernen Züchtungen treffen diese Aussagen heute nicht mehr zu. 

Trotzdem werden sie weiterhin als Sortenmerkmale hervorgehoben. Dadurch entsteht der fehlerhafte Eindruck, dass die alten Sorten den neuen überlegen sind und die Sortenzüchtung der letzten Jahrzehnte völlig überflüssig war. In der Folge werden die billigen, alten Gemüsesorten von den Kunden den neue, resistente, sehr gute, aber preisintensiveren Sorten vorgezogen. 

Für den Händler bedeutet das, dass der Warenkorb mit Artikeln gefüllt wird, die nur eine geringe Marge bringen. Kunden entscheiden sich häufiger gegen den Kauf im Onlineshop, weil der Warenwert die Versandkosten nicht rechtfertigt.

Für den Kunden bedeutet das, dass er nicht das beste Produkt bekommt. Der Käufer glaubt für wenig Geld, eine besonders widerstandsfähige, frühe oder ertragreiche Sorte zu bekommen und kauft darum die hochwertigen Sorten nicht. Das Risiko eines Misserfolgs ist groß, wenn die Kulturbedingungen nicht optimal sind. In der Folge ist der Kunde unzufrieden mit dem Produkt und dem Anbieter. 

Kohlrabi "Delikatess weißer" als Beispiel

4 Sorten Kohlrabi

Während der Kohlrabi „Delikatess weißer“ in den 1930ern zu Recht als vergleichsweise zart beworben wurde, galt er 1976 schon als Sorte mit starker Neigung zum Verholzen. Tatsächlich hat dieser Kohlrabi eine schlechte Knollenqualität, weil er sehr hart ist, verbräunt und verholzt. Er entspricht nicht den Vorstellungen, die wir heute von einem leckeren Kohlrabi haben. 

Ausschnitt aus einem Sorten-Ratgeber von 1976

Zusätzlich neigt er stark zum Schießen, bildet also teilweise gar keine Knolle. Kultursaat e. V. stuft „Delikatess weißer“ darum als nicht empfehlenswert ein.

Konkrete Daten statt vager Vergleiche

Wie soll ich nun zu so einem Produkt eine ehrliche Beschreibung zu verfassen, die faktisch richtig und dazu noch positiv und verkaufsfördernd ist, ohne dabei die Qualität tatsächlich guter Sorten abzuwerten?

In diesem Fall helfen mir meine alten Kataloge mit den Sortenbeschreibungen. Hier finde ich Hinweise auf die Eignung für den Anbau im Gewächshaus, unter Folie oder im Freiland. Konkrete Zahlen, Daten und Fakten zu Kulturdauer, Wuchshöhen, Fruchtgrößen und Gewichten machen einen direkten Vergleich der alten Sorten mit neuen möglich.

Beispielsweise gilt der Blumenkohl „Delfter Markt“ als „mittelfrühe Blumenkohl-Sorte mit großen Blumen“. Konkret handelt es sich um einen Blumenkohl mit einem Blumengewicht zwischen 480 und 700 g und einer Kulturdauer von 65 bis 80 Tagen. „Erfurter Zwerg“ gilt mit seinem Blumengewicht von rund 500 g manchmal als kleine Sorte und manchmal als mittelgroß. Er ist mit einer Kulturdauer von 60 bis 75 Tagen für einige Anbieter eine frühe Sorte, für andere eher mittelfrüh. Im direkten Vergleich müsste „Clapton“ mit seinem Gewicht von 1100 bis 1350 g als gigantisch bezeichnet werden. Für den Kunden ist es unmöglich eine sinnvolle Auswahl zu treffen, wenn er keine konkreten Daten für einen Vergleich bekommt. 

Mit den Informationen aus den alten Sortenkatalogen entstehen zutreffende Produktbeschreibungen mit Mehrwert für den Kunden. 

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